Bericht des Bundesrechnungshof zu ÖPP im Bundesfernstraßenbau enthält grobe Fehler!
Am 04.06.2014 hat der Bundesrechnungshof (BRH) dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags seinen Bericht über Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) als Beschaffungsvariante im Bundesfernstraßenbau vorgelegt.[1] Im Hinblick auf die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von ÖPP beruht dieser Bericht auf dem Gutachten des Präsidenten des Bundesrechnungshofs als Bundesbeauftragter für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV) zu Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen.[2]
In ihrer gemeinsamen Sitzung am 29.10.2014 haben sich der Arbeitskreis Infrastruktur und der Arbeitskreis Öffentliches Immobilienmanagement des BPPP | Netzwerk Infrastrukturmanagement (BPPP) kritisch mit dem Bericht und dem Gutachten auseinandergesetzt. Im Ergebnis musste festgestellt werden, dass die Analysen und Ergebnisse des BRH in wesentlichen Punkten intransparent sind und gravierende Fehler und Lücken aufweisen. Der Bericht und das Gutachten stellen keine taugliche Grundlage für die öffentliche Verwaltung und ihre Entscheidungen im Zusammenhang mit Lebenszyklusmodellen dar. Die im BPPP versammelten Experten aus Wissenschaft und Praxis stehen für einen Dialog mit dem BRH zur Verfügung, der aus Sicht des BPPP zur Versachlichung der Diskussion um ÖPP dringend geboten ist.
Die in der Fachdiskussion hervorgehobenen Mängel betreffen wesentliche Aspekte
des Berichts des BRH und des Gutachtens des BWV und lassen sich wie folgt
zusammenfassen:
1. Die Behauptung des BRH, mit ÖPP seien rd. 1,9 Mrd EUR Mehrkosten verbunden,
ist nicht nachvollziehbar. "Berechnungen" des BRH hätten diese
Mehrkosten ergeben. Weder die Berechnung noch deren Basis sind offengelegt, was
angesichts der Bedeutung dieser Feststellung verwundert und dem Verständnis des
BPPP von einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema widerspricht. Der
BPPP hat erhebliche
Zweifel an der Belastbarkeit dieser Berechnungen und fordert Transparenz,
damit diese schwerwiegende Behauptung und deren Grundlagen überprüft werden
können.
2. Die Kritik des BWV an Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei
ÖPP im Bundesfernstraßenbau lässt mangelndes
Verständnis der Begrifflichkeiten sowie der Investitionsrechnung erkennen.
Das betrifft beispielsweise die kontextbezogene Verwendung von Begriffen wie
dem "Erwartungswert" oder der Differenzierung der Begriffe
"Barwertmethode" und "Kapitalwert". Die Ausarbeitung lässt
insoweit methodische Korrektheit und wissenschaftlichen Anspruch vermissen.
3. Der Diskontierungszins
ist Indikator der Finanzierungskosten. Er soll entgegen der Annahme des BWV nicht
die Finanzierungskosten des Bundes darstellen. Der BWV hat ein
grundlegend unzutreffendes
Verständnis von dem Begriff Finanzierung. Finanzierung ist
nicht nur Mittelbereitstellung, sondern die finanzwirtschaftliche Abbildung
leistungswirtschaftlicher Vorgänge, was insbesondere die Steuerung und den
Transfer von Risiken einschließt. Insofern muss die Finanzierung von
Sachinvestitionen wie Infrastruktur immer projektbezogen beurteilt werden.
4. Die Aussage des BWV, die Verwendung der Zinsstrukturkurve hätte
zur Folge, dass keine zusätzlichen Zinsänderungsrisiken berücksichtigt werden
dürfen, verkennt,
dass gerade im Bundesfernstraßenbau nicht nur die Anfangsinvestitionen getätigt
werden müssen. Über die 30 jährige Konzessionslaufzeit werden in der
konventionellen Beschaffungsvariante regelmäßig erhebliche Nachinvestitionen zur Instandhaltung und Erneuerung
getätigt werden, die in der Realität zum Zeitpunkt der Investition finanziert
und somit sehr wohl realen Zinsänderungsrisiken
unterliegen.
5. Die Auffassung des BWV, bei der konventionellen Variante
seien im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung keine projektspezifischen Risiken zu
berücksichtigen, ist abwegig. Sie ist realitätsfern und beruht
auf wissenschaftlichen Erkenntnissen zu gänzlich anderen Sachverhalten. Der BRH
müsste aus der Prüfung konventioneller Projekte wissen, dass diese (nahezu)
immer teurer sind als ursprünglich geplant. Der Flughafen Berlin-Brandenburg
International ist lediglich ein prominentes Beispiel eines
durchgehenden Phänomens bei öffentlichen Investitionen. Es ist schlichtweg falsch, dass sich bei der Vielzahl der
Projekte des Staates positive und negative Abweichungen vom Erwartungswert
gegenseitig aufheben. Das mag für Kapitalanalagen in
Wertpapiere über öffentliche Märke (Börsen) bei hinreichend breiter Streuung
zutreffen. Bei realen Investitionen ist das Risiko beeinflussbar und muss
deshalb gesteuert werden. Risikotransfer ist eine Variante der Risikosteuerung.
Wenn Risikotransfer keinen Wert haben soll, lädt das zur Unwirtschaftlichkeit ein.
6. Die Feststellung des BRH, dass bei Übergabe mit
Fertigstellung der Baumaßnahme die vertraglichen Qualitätsanforderungen bei ÖPP
nicht durchgehend eingehalten worden seien, ist unsachlich und verkennt den
Lebenszyklusansatz von ÖPP. Der BRH verweist in seiner Stellungnahme darauf,
dass Qualitätskriterien bei Infrastrukturprojekten schwer als Maßstab und
Vergleich zwischen konventioneller und ÖPP-Beschaffung heranziehen lassen.
Festzuhalten ist zum einen, dass damit auch nicht erwiesen ist, dass die konventionelle Beschaffung
eine bessere Qualität erwarten lässt, so dass ÖPP deshalb
insoweit auch nicht unter Rechtfertigungszwang steht. Diese Betrachtung lässt
zum anderen auch außer Betracht, dass bei Lebenszyklusmodellen Qualitätskriterien zwingender
Bestandteil von Output-Spezifikationen sind, die über die gesamte Vertragslaufzeit sichergestellt
werden müssen. Hier muss vielmehr gefragt werden, ob im Rahmen der
konventionellen Beschaffung die gleichen Parameter zur Qualitätsbestimmung
herangezogen werden. Dieses Mehr
an Qualität hat der BRH unter den Tisch fallen lassen.
7. Entgegen der Feststellung des BRH wurde mit den
ÖPP-Modellen eine Reihe von Innovationen
umgesetzt. Die vermissten technischen Innovationen lassen sich
angesichts des engen Korsetts des maßgeblichen Regelwerks im Straßen- und
Ingenieurbau kaum umsetzen und sind zudem für die Bieter mit erheblichen
Risiken verbunden, da im Rahmen der Wertung die Gleichwertigkeit von
Alternativlösungen von den Vergabestellen in der Regel massiv angezweifelt
wird. Innovativ waren beispielsweise die Planungsansätze,
die auf den Lebenszyklus ausgerichtet sind, Bauablaufplanungen, die die
Maßnahmen teilweise bis zu einem Jahr verkürzt haben oder moderne
Betriebskonzepte.
8. Der BRH bemängelt, dass durch ÖPP falsche Anreize gesetzt
werden, verkennt dabei aber, dass umgekehrt gerade die konventionelle Beschaffung falsche Anreize setzt
und der Verschwendung öffentlicher Mittel Vorschub leistet.
Dazu trägt die Fehlvorstellung des BRH bei, dass mit der Verwirklichung von
öffentlichen Projekten keine Risiken verbunden seien, obwohl diese sich bei den
Investitionen der öffentlichen Hand dauernd realisieren, teilweise sogar in
exponentiellem Ausmaß. Fehlanreize entstehen zudem durch die Vernachlässigung einer auf den
Lebenszyklus gerichteten, nachhaltigen Betrachtung und den Mangel an Selbstbindung
bei konventioneller Beschaffung.
9. Zusammenfassend kamen die Teilnehmer der gemeinsamen
Arbeitskreissitzung zu dem Schluss, dass der BRH in seinem Bericht Risiken bei der
Realisierung öffentlicher Infrastruktur ebenso ignoriert wie die gravierend ineffiziente Beschaffungsrealität
der öffentlichen Hand.
[1] Bundesrechnungshof, Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen
Bundestags nach § 88 Abs. 2 BHO über Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP)
als Beschaffungsvariante im Bundesfernstraßenbau, Gz.: V3-2013-5166, vom
04.06.2014.
[2] Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Gutachten zu
Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei Öffentlich Privaten Partnerschaften (ÖPP)
im Bundesfernstraßenbau, Gz. V3-2013-0144, vom 24.09.2013.